Große Aue, Preußisch Ströhen: Optimierung im Bereich Stauwehr 2
Stadt Rahden (Maßnahme vom Kreis Minden-Lübbecke), Ortsteil Preußisch Ströhen
Gewässer:
Große Aue
Art der Maßnahme:
Rückbau von zwei Staubauwerken, Ersatz einer verrohrten Überfahrt durch eine Furt
Durchführung:
erste Arbeiten im November / Dezember 2017, es sind weitere Arbeiten erforderlich
Die Große Aue
Die Große Aue entspringt im Wiehengebirge und erreicht nördlich des Preußisch Oldendorfer Ortsteils Bad Holzhausen die Norddeutsche Tiefebene. Mit einem sehr geringen Gefälle durchfließt sie den Kreis Minden-Lübbecke in nördlicher Richtung und mündet nach einer Fließstrecke von 88 Kilometern bei Nienburg /Niedersachsen in die Weser. Ab nördlich des Mittellandkanals wird die Große Aue überwiegend dem Fließgewässertyp „sandgeprägter Tieflandbach“ zugeordnet. Unter natürlichen Bedingungen stellt sich der sandgeprägte Tieflandbach als mäandrierendes Fließgewässer in einem flachen Mulden- oder breiten Sohlental dar. Prall- und Gleithänge sind deutlich ausgebildet. Wichtige Habitatstrukturen stellen Totholz, Kiesbänke, Erlenwurzeln, Wasserpflanzen und Falllaub dar. Die sandgeprägten Fließgewässer sind von ihrer besonderen Dynamik mit Uferabbrüchen und Altarmbildung geprägt. (vgl. z. B. SCHWENGEL FÜR DEN WASSERVEBAND GROßE AUE, 2015).
Bei erhöhten Wasserabflüssen käme es schnell zu großräumigen Überflutungen. Das ist der Grund dafür, dass die Tieflandbäche schon früh und kontinuierlich, mit dem Ziel ausgebaut wurden, das anfallende Oberflächenwasser schnell abzuführen. Der letzte umfassende und massive Ausbau der Großen Aue erfolgte 1956. Heute stellt sich die Große Aue wie die allermeisten Fließgewässer des Tieflandes als begradigter, in einem tief ausgebauten Regelprofil festgelegter und mit einer Reihe von Stauwehren regulierter Gewässerlauf dar. Nach dem massiven Gewässerausbau von 1956 kann ein Hochwasser in der Regel innerhalb des Gewässerprofils abgeführt werden, so dass die regelmäßigen großräumigen Überschwemmungen unterbunden sind. Die ehemals nassen Wald-, Brach- und Wiesenflächen können heute als intensives Ackerland und Grünland bewirtschaftet werden. Die Intensivierung der Landwirtschaft ging mit einer deutlichen Verarmung der Landschaft einher: Auwälder, Hecken, Brachflächen und extensiv genutzte Feuchtwiesen verschwanden und mit ihnen die an sie gebundenen Tier- und Pflanzenarten.
Projekt „naturnahe Umgestaltung der Flusslandschaft Große Aue“
Mit dem Ziel, dieser Entwicklung etwas entgegen zu setzen, wurde 1989 - 2002 das Projekt „naturnahe Umgestaltung der Flusslandschaft Große Aue“ mit dem Kreis Minden-Lübbecke als Maßnahmenträger umgesetzt. Das Projekt umfasst 16 Bauabschnitte in Rahden und Espelkamp über eine Strecke von 23 km. 360 ha angrenzende Flächen wurden in die Renaturierung einbezogen. Es entstand eine aus naturschutzfachlicher Sicht wertvolle Auenlandschaft mit zahlreichen Feuchtbiotopen. Zugleich wurde wertvoller Retentionsraum erschlossen. Die beanspruchten Flächen konnten durch ein Bodenordnungsverfahren in das Eigentum des Landes NRW gebracht werden (Vgl. z. B. HTTP://WWW.BIOSTATION-ML.DE).
Durch die als Gewässeraue erschlossenen Seitenräume wurden parallel der technisch ausgebauten Großen Aue naturnahe Fließgewässer geführt. Das technisch ausgebaute Profil der Großen Aue blieb parallel als Hochwasserentlastung erhalten. Die naturnah angelegten Parallelgewässer sind über den ausgebauten Lauf der Großen Aue miteinander verbunden. Sie bilden (theoretisch) einen durchgehenden Gewässerlauf und sind zwischenzeitlich (bis auf eine Ausnahme, Umleiter 1 um das Stauwehr 1) in der Gewässerstationierungskarte des Landes NRW als Große Aue stationiert, die entsprechenden technisch ausgebauten Gewässerabschnitte sind als Hochwasserentlaster ausgewiesen.
Die folgende Karte zeigt den stationierten Verlauf der Großen Aue und die als Gewässeraue erschlossenen angrenzenden Flächen zwischen der L 770 und der Landesgrenze zu Niedersachsen. Außerdem sind die Lage der Stauwehre und der Hochwasserentlaster dargestellt.
Neben der Erschließung von Überschwemmungsbereichen, der Entwicklung von Röhrichten, Hochstaudenfluren und standortgerechten Gehölzbeständen, der Anhebung der Grundwasserstände und der Wiedereinführung einer extensiven Grünlandwirtschaft, war seinerzeit auch die Wiederherstellung der Durchgängigkeit an Stauanlagen durch Bypässe (vgl. LANDESAMT FÜR AGRARORDNUNG) formuliert. Aus heutiger Sicht sind insbesondere auch die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie zu berücksichtigen. Die naturnahen Parallelgewässer sollten Fischen und anderen Gewässerorganismen einen günstigen Lebensraum bieten und ihnen die Umwanderung der 6 Stauwehre ermöglichen.
Auch weil seinerzeit Kompromisse geschlossen werden mussten, um das Gesamtprojekt überhaupt umsetzen zu können, konnte das Ziel der Durchgängigkeit für die Gewässerorganismen nur eingeschränkt erreicht werden. Viel diskutiert und kritisiert wird z. B. die Tatsache, dass sich der Wasserabfluss der Großen Aue - nicht nur im akuten Hochwasserfall - auf die beiden parallelen Fließrinnen verteilt. Die Steuerung der Wehre in den letzten Jahren hat dazu beigetragen, dass die Stauwehre umgehenden naturnah angelegten Gewässerabschnitte nur unzureichend durchflossen werden. Bei niedrigen Wasserständen sinken die Wasserabflüsse in den naturnahen sogenannten Umleitern sehr stark, zeitweise fallen sie trocken, so dass die Niedrigwasserabflüsse über das alte technisch ausgebaute Profil erfolgen. Aufgrund des i. d. R. ungünstigen rechtwinkligen Einströmwinkels in die naturnahen Umgehungsgerinne und die seinerzeit als erforderlich angesehenen relativ engen Gewässerüberfahrten, kann auch bei höheren Wasserständen nur eine begrenzte Wassermenge einströmen. Erhöhte Wasserabflüsse werden größtenteils über das alte technisch ausgebaute Gerinne abgeführt, so dass es in den naturnahen Umgehungsgewässern an Dynamik fehlt. In der Folge kam es zu Auflandungen in den naturnah angelegten aber unzureichend durchströmten Umgehungsgerinnen, so dass sich der Zustand sukzessive weiter verschlechterte. Hier sind Verbesserungen erforderlich und möglich.
Umleiter 2 am Stauwehr 2, im folgenden Text als „neue Große Aue“ bezeichnet
Erste Optimierungsmaßnahmen im Rahmen des WWE-Projektes erfolgten an der neuen Großen Aue im Bereich des Stauwehres 2. Die Ausgangssituation stellte sich wie folgt dar:
Das Stauwehr war heruntergefahren und der Hauptwasserabfluss erfolgte über die eigentlich nur als Hochwasserentlastung vorgesehene alte Große Aue.
Es floss kein Wasser in die neue Große Aue,
das Profil war insbesondere im oberen Teil abschnittsweise durch Gehölzaufwuchs...
… und abschnittsweise durch Pflanzenaufwuchs und Auflandungen auf der Bachsohle eingeengt und aufgehöht.
Im Übergangsbereich aus der neuen Großen Aue in den weiteren Verlauf war die Längsdurchgängigkeit durch Barrieren aus Wasserbausteinen blockiert. Zweck der im Auslauf eingebrachten Verwallungen aus Wasserbausteinen war es vermutlich, den Wasserstand zumindest im unteren Teil des Umgehungsgerinnes trotz mangelndem Wassernachfluss zu halten.
Dies ist offensichtlich gelungen. Das Wasser stand in den ausgedehnten Mäanderschleifen.
Unter dem Gesichtspunkt der Gewässerdurchgängigkeit war die Situation trotzdem ein unhaltbarer Zustand!
Maßnahmen des WWE-Projektes an der neuen Großen Aue im Bereich des Stauwehres 2
Im Rahmen des WWE-Projektes sollte die Funktionsfähigkeit der neuen Großen Aue im Bereich des Stauwehres 2 zumindest hinsichtlich der Durchgängigkeit reaktiviert werden.
Mit Unterstützung eines kleinen Baggers wurden die Barrieren aus Wasserbausteinen im unteren Teil der Fließstrecke entnommen.
Insbesondere im oberen Teil der Fließstrecke wurden Fließhindernisse z. B. in Form von auf der Bachsohle wurzelnden Gehölzen und punktuellen Auflandungen entnommen.
Anschließend wurde das Wehr 2 auf eine festgelegte Stauhöhe hochgefahren.
Es zeigte sich, dass bei diesem Stauziel Wasser in die neue Große Aue fließt und diese, wie die folgenden Bilder zeigen, komplett durchströmt wird. Mindestens diese Stauhöhe soll möglichst auf Dauer gehalten werden.
Es sind vielfältig differenzierte Strömungsbilder zu beobachten.
Gezielt eingebrachte Sturzbäume bieten zusätzliche Strukturen und wirken als Strömungslenker.
Der untere Teil der Fließstrecke ist für die Gewässerorganismen jetzt barrierefrei.
Die Lockströmung reicht bis über die Mitte des Profils der Großen Aue im weiteren Verlauf hinaus.
Die Durchgängigkeit am Wehr 2 für Fische und andere Gewässerorganismen ist wieder hergestellt. Sie können das Wehr 2 über die neue Große Aue umwandern bzw. umschwimmen.
Entwicklung
Auch nach der lang anhaltenden Trockenperiode im Frühjahr / Sommer 2018 wird die neue Große Aue weiterhin komplett durchströmt.
Ende Juni 2018 fiel bei Niedrigwasser kein Wasser mehr über das Wehr, …
… der Niedrigwasserabfluss erfolgt also wie angestrebt komplett über die neue Große Aue.
Schon in diesem kurzen Zeitraum ist es durch die Strömung zu einer eigendynamischen Entwicklung der Gewässersohle und direkten Uferbereiche gekommen.
Die typischerweise von Sand, Pflanzenpolstern und Totholz geprägte Bachsohle hat sich sehr schön herausgebildet.
Stellenweise wurden kiesige Sedimente und Muscheln freigestrudelt.
Die seinerzeit gezielt in einer großen Aufweitung eingebrachten Sturzbäume haben die Ausbildung einer Niedrigwasserrinne an dieser Stelle forciert.
Kleine Sohlabstürze, die sich im Übergangsbereich von der neuen Großen Aue in die alte Große Aue punktuell ausgebildet haben, wurden noch einmal überarbeitet.
Weitere Entwicklung der neuen Großen Aue im Bereich des Stauwehres 2
Die Durchgängigkeit für die Gewässerorganismen am Stauwehr 2 wurde durch die im Rahmen des WWE-Projektes ausgeführten Arbeiten hergestellt. Es sind aber weitere Maßnahmen erforderlich, um das seinerzeit naturnah angelegte Umgehungsgerinne tatsächlich als Hauptlauf der Großen Aue zu entwickeln. Weitere Maßnahmen sollten darauf zielen, auch die deutlich erhöhten Wasserabflüsse möglichst komplett in die neue Große Aue zu lenken. Die alte Große Aue sollte wirklich nur noch als Hochwasserentlastung dienen.
Gerade die deutlich erhöhten Wasserabflüsse sorgen für die gewässertypischen eigendynamischen Entwicklungsprozesse, die immer wieder naturnahe Sohl-, Ufer- und Umfeldstrukturen hervorbringen. Ausuferungen innerhalb der eingedeichten Polderfläche sind leitbildgerecht und damit nicht nur hinnehmbar sondern durchaus erwünscht.
Zur weiteren Entwicklung der neuen Großen Aue im Bereich des Stauwehres 2 besteht noch ein hoher Diskussionsbedarf unter den in verschiedenen Belangen betroffenen Akteuren und Anliegern.
Literartur
LANDESAMT FÜR AGRARORDNUNG: DIE GROßE AUE. EINE FLUßLANDSCHAFT LEBT WIEDER AUF.
SCHWENGEL FÜR DEN WASSERVEBAND GROßE AUE, 2015: KONZEPT ZUR NATURNAHEN ENTWICKLUNG DER BERICHTSPFLICHTIGEN FLIEßGEWÄSSER IM BEREICH GEMEINDE STEMWEDE UND STADT RAHDEN.
Vgl. z. B. HTTP://WWW.BIOSTATION-ML.DE, 18.01.2018